auch Lehrer machen Urlaub ...
Meine Freundin ist genauso wie meine Exfrau Lehrerin, also eine besondere Spezies. Lehrer haben eigentlich fast immer nur Ferien, genauso wie wir Normalos das als Jugendliche in der Schule auch hatten, es damals aber nicht zu schätzen wussten (genausowenig wie die Lehrer heute). Ausgerechnet dann aber, wenn man günstiger verreisen könnte, müssen auch Lehrer mal arbeiten. Und deshalb haben ihre Angehörigen darunter zu leiden in Form höherer Preise , voller Autobahnen und Gedränge an den Stränden.
Nach 2 Jahren getrennten Urlauben in Südamerika, der Mongolei, Uganda und Namibia hielten wir es dieses Jahr für nötig, auch gemeinsam mal wieder etwas zu erleben. Als Zeichen guten Willens löschte ich erst mal sämtliche Links auf diverse Fernreiseseiten in meiner Lesezeichenliste, verkaufte mein Motorrad und ließ mir eines von den blauen Bikeline-Heften zum Geburtstag schenken. Meine Freundin Ulrike wiederum wuchs über sich hinaus und war bereit, sich ohne Führung durch Wikinger- oder Studiosus-Reisen auf eine gänzlich selbst organisierte Fahrradtour einzulassen.
Je näher die Sommerferien rückten, je stressiger die letzten Tage in der Schule verliefen, desto größer wurde ihre Angst, auf was sie sich da eingelassen hatte. Gepäck selbst am Rad mitführen, das hieß ja, fast alles Lebensnotwendige daheim lassen zu müssen! Ok, sie durfte noch meine beiden vorderen Radtaschen mit ihren Habseligkeiten beladen, das war dann schon besser. Aber fast 800 km in 20 Tagen, ob sie das wohl schaffen würde? Klar tat sie das, mit Bravour. Von Lübeck entlang der Ostsee bis nach Stralsund, nach Hiddensee und einmal um Rügen herum, weiter nach Usedom bis Swinemünde, und von dort aus südlich entlang der Oder und zuletzt nach Berlin. Ein toller Sommerurlaub. Und wer kein Lehrer von Beruf ist, der kann die Strecke im Spätsommer noch wunderbar ohne die vielen Touris nachfahren. Lest selbst, was es zu entdecken gibt.


Sonntag, 17. Februar 2013

28.07.2012 Göhren bis Greifswald


Bei schönstem Wetter nahmen wir nicht nur Abschied von Göhren, sondern auch voneinander. Ulli wollte sich die lange Tour heute nicht antun und fuhr mit dem "Rasenden Roland", einer historischen Eisenbahn , die seit 1895 die Strecke zu den Seebädern auf Rügen fährt, nach Putbus. Das Wasserfassen und Rangieren der alten Dampflok brachte nicht nur meine Augen zum Leuchten, sondern fast alle männlichen Fahrgäste wollten mal einen Blick durch die geöffneten Türen der Dampflok werfen. Mit lautem Pfeifen setzte sich der Zug in Bewegung, während ich mich mit dem Rad über Lobbe und Middelhagen nach Moritzdorf in Bewegung setzte. Dort gibt es eine Ruderbootfähre, die auch Fahrräder mitnimmt. Über den Berg nach Seedorf mit einer Brücke, die nur für Fussgänger und Radfahrer erlaubt ist, und weiter entlang von Großsteingräbern nach Groß Stresow und Muglitz. Ein sehr schöner und schmaler Weg führte dann durch herrliche Natur nach Lauterbach, und nur wenige Kilometer weiter kam ich etwa gleichzeitig mit Ulli am Bahnhof in Putbus an. Der "Rasende Roland" braucht für die 24 km eine gute Stunde, aber vor 100 Jahren waren 30 km/h wohl wirklich so schnell, dass er diesen Namen bekam.
Gemeinsam durchquerten wir Putbus mit dem einzigen Theater Rügens und fuhren dann durch schöne Landschaft Richtung Garz, der ältesten Stadt Rügens (seit 1316). Da wir nicht wieder über Stralsund aufs Festland wollten, sondern die Fähre nach Stahlbrode nehmen wollten, ging es von Garz aus südlich über kleine Strässchen nach Dumsevitz und weiter nach Groß Schoritz. Die große Hitze forderte ihren Tribut, das Wasser war uns ausgegangen. So fragten wir kurzerhand im Geburtshaus Ernst Moritz Arndts nach Wasser und wurden im benachbarten Kunstlädchen fündig. Herrlich gut ... einfach nur Wasser! E.M.Arndt wurde am 26.12.1769 hier geboren und wurde durch die französische Revolution beeinflusst zum Gegner der Leibeigenschaft. 1803 verfasste er sein Werk "Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft", musste daraufhin nach Schweden fliehen und setzte sich dann als Privatsekretär des Freiherrn von Stein für die Einheit Deutschlands ein. 1848 wurde er Abgeordneter der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt und war als Schriftsteller und Historiker tätig. 1860 verstarb Arndt in Bonn.
Die Fähre ersparte uns 35 km Umweg über Stralsund und brachte uns schnell aufs Festland. Leider ging der Ostseeküstenradweg ab Reinberg fast die gesamten restlichen 24 km nach Greifswald auf der parallel zur neuen Straße führenden mit Kopfstein gepflasterten alten Straße. Irgendwann spürten wir beide unseren Allerwertesten nicht mehr, landeten aber dann doch noch in unserem super Hotel. Die Greifswalder feierten ein Sommerfest, alle Geschäfte waren geöffnet und es gab jede Menge Musik und Spaß. War das etwa für uns?
Greifswald ist ebenfalls eine Hansestadt, dessen historische Gebäude allerdings durch rechtzeitige Kapitulation weitgehend unzerstört blieben. Wir besuchten den Marktplatz mit seiner Backsteingotik, die Kirchen, und schließlich aßen wir am Hafen auf einem ehemaligen Fischkutter zu Abend. Greifswald ist Universitätsstadt, viele junge Menschen geben dieser Stadt ein sympathisches Gesicht. Leicht vergißt man dabei das nur wenige Kilometer vor den Toren gelegene Atomkraftwerk. Auch wenn wir über die Strombörse letztlich einen großen Teil unseres Stroms doch aus französischen Atomkraftwerken beziehen, ich hoffe, dass bei uns diese Dinger für immer verschwinden und auch eine umweltverträgliche Lösung für den Atommüll gefunden wird.
 
Bahnhof in Göhren


Dampflokomotive - Männertraum


Ruderbootfähre


schönes Reethaus


Geburtshaus Ernst-Moritz Arndt


Kunstladen - unser Wasserspender


Fähre nach Stahlbrode


Marktplatz Greifswald


historische Backsteingotik


Studentenstadt Greifswald


unser Lokal beim Abendessen
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen