auch Lehrer machen Urlaub ...
Meine Freundin ist genauso wie meine Exfrau Lehrerin, also eine besondere Spezies. Lehrer haben eigentlich fast immer nur Ferien, genauso wie wir Normalos das als Jugendliche in der Schule auch hatten, es damals aber nicht zu schätzen wussten (genausowenig wie die Lehrer heute). Ausgerechnet dann aber, wenn man günstiger verreisen könnte, müssen auch Lehrer mal arbeiten. Und deshalb haben ihre Angehörigen darunter zu leiden in Form höherer Preise , voller Autobahnen und Gedränge an den Stränden.
Nach 2 Jahren getrennten Urlauben in Südamerika, der Mongolei, Uganda und Namibia hielten wir es dieses Jahr für nötig, auch gemeinsam mal wieder etwas zu erleben. Als Zeichen guten Willens löschte ich erst mal sämtliche Links auf diverse Fernreiseseiten in meiner Lesezeichenliste, verkaufte mein Motorrad und ließ mir eines von den blauen Bikeline-Heften zum Geburtstag schenken. Meine Freundin Ulrike wiederum wuchs über sich hinaus und war bereit, sich ohne Führung durch Wikinger- oder Studiosus-Reisen auf eine gänzlich selbst organisierte Fahrradtour einzulassen.
Je näher die Sommerferien rückten, je stressiger die letzten Tage in der Schule verliefen, desto größer wurde ihre Angst, auf was sie sich da eingelassen hatte. Gepäck selbst am Rad mitführen, das hieß ja, fast alles Lebensnotwendige daheim lassen zu müssen! Ok, sie durfte noch meine beiden vorderen Radtaschen mit ihren Habseligkeiten beladen, das war dann schon besser. Aber fast 800 km in 20 Tagen, ob sie das wohl schaffen würde? Klar tat sie das, mit Bravour. Von Lübeck entlang der Ostsee bis nach Stralsund, nach Hiddensee und einmal um Rügen herum, weiter nach Usedom bis Swinemünde, und von dort aus südlich entlang der Oder und zuletzt nach Berlin. Ein toller Sommerurlaub. Und wer kein Lehrer von Beruf ist, der kann die Strecke im Spätsommer noch wunderbar ohne die vielen Touris nachfahren. Lest selbst, was es zu entdecken gibt.


Mittwoch, 30. Januar 2013

22.07.2012 Prerow bis Stralsund

Am nächsten Morgen radelten wir zunächst zum Ostseebad Zingst, dann südlich und später entlang einer stillgelegten Bahnstrecke nach Barth. Der Hafen von Barth ist nicht besonders anziehend, so ging es bald weiter immer am Bodden lang über Nisdorf und Bisdorf nach Hohendorf. Das Schloss dort hatte natürlich geschlossen, das Cafe auch, dabei hatten wir uns wegen der zunehmenden Hitze schon auf ein Getränk gefreut. Um Hohendorf herum gab es lange Passagen mit Kopfsteinpflaster und Plattenwegen, so schön das aussieht, der Hintern tut weh.Bei Klausdorf dann doch eine Rast mit einem XXL-Windbeutel. Lecker! Damit schafften wir auch die restlichen Kilometer bis Stralsund, wo wir in einem sehr günstigen Hotel unweit des Knieper- und Moor-Teichs ein wunderbares Zimmer hatten.
Nach dem Duschen gingen wir gleich die 10 Minuten über den Küterdamm in die herrliche Altstadt von Stralsund. Das Rathaus erinnert sofort an die anderen Hansestädte der Ostsee und stammt aus dem 13.Jahrhundert. Neben der St.Nikolai-Kirche besichtigten wir die St.Marienkirche und die St.Jacobikirche und gingen dann sehr schön zum Abendessen. 
Abschied vom regnerischen Prerow

Ostseebad Zingst

Strand in Zingst

wenig Platz zwischen den Strandkörben

ehemalige Eisenbahnverbindung

viele Pferde


zwischen Barth und Nisdorf

Schloss Hohendorf

XXL-Windbeutel



Knieperteich
 
St.Marienkirche in Stralsund aus dem Jahr 1298


schöne Fassade



Mittelaltermarkt in Stralsund bei herrlichem Sonnenschein






21.07.2012 Rostock nach Prerow

Um nicht mit den vollgepackten Rädern die Bahnunterführung in Warnemünde nehmen zu müssen, fuhren wir schon vorher über eine Brücke und landeten am Terminal der großen Passagierdampfer, von wo auch die Fähre zur Hohen Düne ablegt. Über Nacht sind die AIDAblu und die weiteren Passagierschiffe ausgelaufen und haben Platz für neue Riesen gemacht. Schon beeindruckend, wenn man nach oben schaut.
Zuerst auf Radwegen, dann auf matschigen Waldwegen nach Graal-Müritz. Weiter auf dem Dünenradweg zum Ostseebad Wustrow auf Fischland. Von Ahrenshoop aus fuhren wir auf einem schmalen Weg am Bodden entlang, die vielen Wind- und Kite-Surfer immer im Blick, die in Born auf Darss auf einem riesigen Campingplatz Urlaub machten und den kräftigen Wind ausnützten. Bei Sonnenschein genossen wir den Sanddornkuchen in einem Cafe in Born. Die letzte Etappe führte schließlich auf Landwirtschaftswegen über Wieck nach Prerow, wo wir in dem zum Hotel umgebauten Bahnhof ein schönes Zimmer mit Blick auf den Prerower Strom hatten. Dort fanden gerade die Drachenbootrennen anläßlich des Prerower Hafenfestes statt. Ein Spaziergang führte uns über den Kunsthandwerkermarkt zum Strand in Prerow, und wir hörten noch eine Weile einem englischen Saxophonspieler zu und genossen die untergehende Sonne.
Prerow liegt im Nationalpark Ostpommersche Boddenlandschaft und wird im Frühjahr und Herbst von unzähligen Kranichen besucht. Mitte Oktober fliegen abends etwa 25000 Kraniche in die Flachwassergebiete ein, um sie bei Sonnenaufgang wieder zu verlassen. Der Nationalpark reicht im Osten bis Hiddensee und West-Rügen und ist 80000 ha groß.
Fähre zur Hohen Düne
 
Plattenbausiedlung in Rostock Lütten-Klein

neue Ozeanriesen über Nacht

am Prerower Strom

Strand in Prerow

Rückweg vom Strand

Schaufelraddampfer im Prerower Hafen

unser Hotel Alter Bahnhof in Prerow


viel Wind am Meer und am Bodden
 

20.07.2012 Kühlungsborn bis Rostock

Bei viel Wind und tiefen Temperaturen geht es heute die 33 Kilometer Richtung Warnemünde. Zunächst geschützt auf Waldwegen nach Heiligendamm, wo im Sommer 2007 der G8-Gipfel stattfand und den abgesperrten Ort monatelang in einen Ausnahmezustand versetzte. Weiter direkt an der Ostsee über Nienhagen nach Warnemünde. Zum Glück hat sich das Wetter gebessert, es gibt nur gelegentliche Schauer , der Wind aber bleibt. Im Sommer 2009 fand hier in Warnemünde die Seebestattung meiner Mutter statt, und ich habe immer noch das Bild im Kopf, wie die Urne zu den vielen großen Quallen in die kalte Ostsee hinabgelassen wurde. Auch diesmal wartet die Jan Maat wieder mit einer Urne am Anlegesteg auf die Trauernden, mitten im ganzen Trubel um die 4 riesigen Passagierdampfer und die vielen Touristen.
Wir fahren erst mal ein paar Kilometer weiter Richtung Rostock in unser Hotel in Lütten-Klein, einem Plattenbau inmitten einer häßlichen Wohngegend unweit von Rostock-Lichtenhagen, das seit 1992 als Synonym für Fremdenhass steht. Damals hatte ein entfesselter Mob zum Sturm auf die überfüllte Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein benachbartes Wohnheim mit Vietnamesen geblasen. Wie durch ein Wunder war niemand ums Leben gekommen. 10 Jahre später warfen rechte Jugendliche wieder Steine und Molotow-Cocktails in einen Asia-Imbiss, einen asiatischen Supermarkt und das Büro der Arbeiterwohlfahrt. Viele Rostocker haben damals nicht nur zugesehen, sondern auch geklascht.
Wir verlassen die bedrückende Gegend erst mal mit der S-Bahn nach Warnemünde und genießen den Flair des Ostseebades. Immer wieder treffen wir ein Brautpaar, das mit 2 Trabis die Sehenswürdigkeiten anfährt und jedes Mal einen kleinen Auflauf verursacht. Schon beeindruckend, wie sich 4 Erwachsene in einen Trabi zusammenfalten können.
Am Alten Strom reiht sich ein Geschäft neben dem andern, es gibt unzählige Buden und Lokale, man promeniert und genießt. Den nächsten Regenschauer beim Abendessen überstehen wir unter dem aufgespannten Schirm und gehen dann noch einmal auf die Mole zum Leuchtturm. Angeblich soll die AIDAblu auslaufen, viele Touris warten, aber es passiert nichts. So fahren wir denn zurück in unseren hässlichen, aber günstigen Plattenbau. Die nächsten Tage muss ich mir von Ulrike noch mehrmals anhören, wie beklemmend und fürchterlich sie diese Unterkunft gefunden hat. Mir gefiel sie aber nicht nur wegen des Preises, sondern auch als Kontrast zu den sonstigen plüschigen Unterkünften.
Fahrt entlang der Küste durch einen "Märchenwald"
Heiligendamm


auf dem Damm


Leuchtturm von Warnemünde
am Alten Strom


AIDA blu
Jan Maat
Hochzeit in zwei Trabis



Touristenmeile am Alten Strom


aktuelle Mode
4 Ozeanriesen liegen nicht jeden Tag in Warnemünde


gebackene Leber ... lecker!


Ozeanriese ... so hoch wie ein Hochhaus
 

19.07.2012 Wismar nach Kühlungsborn

Bei etwa 16°C machten wir uns auf den Weg ins 50 km entfernet Kühlungsborn. Wir haben den Abstecher zur Halbinsel Poel ausgelassen. Der Radweg geht bis Rakow meist entlang der Strasse mit teils schönen Ausblicken auf das Salzhaff. Das Ostseebad Rerik hieß früher mal Alt Gaarz, was im slawischen Sprachgebrauch "Burg" bedeutet; in Zeiten des Nationalsozialismus sollte die slawische Vergangenheit vergessen gemacht werden und man nannte den Ort nach den Wikingern in Rerik um. Die vorgelagerte Halbinsel Wustrow wurde lange Zeit militärisch genutzt und ist wegen der Munitionsrückstände weiterhin für die Öffentlichkeit gesperrt. In Rerik schien aber wenigstens kurz mal die Sonne, und wenn man windgeschützt saß, war es richtig warm. Zeit für Kuchen und Kaffee.
Entlang von Großsteingräbern ging es weiter zum Ostseebad Kühlungsborn, wenig anziehend mit viel Betrieb und einer Schmalspurbahn namens "Molli" nach Bad Doberan. Bis 1989 verbrachten hier DDR-Bürger in Massen ihre Ferien und Kuraufenthalte, und diesen Charakter hat Kühlungsborn leider bewahrt. Wir übernachteten sehr schön im Hotel Möwe in Kühlungsborn Ost. Die Promenade zum Ortsteil West konnten wir wegen des starken Windes nicht unter die Füsse nehmen, dafür hörten wir mal kurz im Kurpark bei den "Söhnen Mami's" rein. Irgendwie habe ich noch ein Problem mit dem Humor des Ostens, aber ich bin eben ein Besserwessi.
regnerischer Abschied aus Wismar


Blick auf das Salzhaff

Pause in Rerik

unsere Zukunft ?

Parkuhren am öffentlichen Strand?


Großsteingräber hinter Rerik 

die Söhne Mami's in Kühlungsborn

18.07.2012 Lübeck bis Wismar


Jetzt wurde es ernst, der erste Fahrradtag. Um Ulrike nicht gleich das Maximum abzufordern, legten wir die Strecke bis Travemünde mit dem Zug zurück. Dann ging es mit der Priwall-Fähre auf die andere Seite, an dem Viermaster Passat vorbei und schließlich immer an der Ostsee entlang Richtung Wismar. Das Wetter war kühl, so dass ich meine Outdoor-Hose drüberzog und Ulli ihre Regenhose. Komisch, hatte die Hose denn schon immer Hosenträger? Ständig löste sich einer der Hosenträger, es nervte. Bis Ulli anmerkte, dass meine Hose eigentlich wie eine Skihose aussähe. Und tatsächlich, ich hatte statt der Outdoor-Hose die Skihose eingepackt und schwitzte plötzlich mit dem Futter so stark, dass ich es keinen Meter mehr mit Hose aushielt. So viel zum Packen in letzter Minute.
Sonderbar fand ich auch die Parkuhren an den Strandzugängen, bis mir klar wurde: die wollen Eintritt haben! Bis zu 2,50 Euro finde ich doch ganz schön happig für den Zugang zur Natur, die doch eigentlich für alle da sein sollte. Ihr werdet sehen: heute denkt unser Verkehrsminister noch über Autobahngebühren nach, in 10 Jahren sind es schon die Fussgänger, die abkassiert werden; schließlich sind sie ja auch Verkehrsteilnehmer!
Der Fahrradweg war jedenfalls sehr gut ausgebaut, aber er ging auch ständig hoch und runter. Kaum hatte man eine Steigung hinter sich, sah man schon die nächste. Und zu allem Übel fing es vor Wismar dann heftig an zu regnen. Die ersten Weh-Schreie meiner Partnerin liessen auch nicht lange auf sich warten.
Nach etwa 60 Radkilometern hatten wir es dann geschafft und landeten in der Pension Chez Fasan direkt in der Altstadt. Unser erster Gang war ein Outdoorladen, und da trafen sich die meisten der Ostseeküstenradler, um ihre fehlende Regenkleidung zu vervollständigen. Ulrike jedenfalls kam mit neuen Schuhen und einem Überzug für den Helm wieder raus. Die Läden werden sich bestimmt über das Wetter gefreut haben, wir weniger.
Wismar war bedeutende Hansestadt mit den Hauptprodukten Hering und Bier. Es gab damals 180 Brauereien! Später war es längere Zeit unter schwedischer Herrschaft und wurde im Krieg schwer zerstört. Inzwischen wurden viele Gebäude der historischen Altstadt wieder hergerichtet , die Kirchen restauriert , nur von der ehemaligen Ratskirche St.Marien steht weiterhin nur der Turm. Auf dem Marktplatz gibt es sehr schöne Häuser, u.a. das Gasthaus Alter Schwede, wo man auch ein vorzügliches Getränk gleichen Namens erhält und richtig gute Küche.

Überfahrt mit der Priwall-Fähre in Travemünde
                                        
Viermaster Passat

stolzes Schiff

Pause am Ostseeküstenradweg

dieses Prachtstück stand in Wismar vor unserem Zimmer

Marktplatz in Wismar

Gasthaus Alter Schwede

Urlaubsgefühle ... oder was?

Moskvich - Relikt aus der Vergangenheit

schön renovierte Fassaden in Wismar

hier besteht noch Renovierungsbedarf

17.07.2012 Lübeck

Nach ausgiebigem Frühstück sind wir über den Grüngürtel entlang der Wallstrasse zum Holstentor. Die ganze Innenstadt ist von Wasser umgeben, das ist einfach herrlich. Neben dem Holstentor gab es jede Menge anderer Bauwerke wie die Marien- und Aegidien-Kirche, das Rathaus, viele Kaufmannhäuser aus Backstein oder die Puppenbrücke. Marzipanliebhaber finden die Süßigkeiten im Cafe Niederegger, und Thomas Mann kamen wir im Buddenbrookshaus näher. Zwischen den einzelnen Strassen in der Altstadt gibt es immer wieder Gänge und Höfe, die jetzt im Sommer in voller Blumenpracht dastanden. Begeistert waren wir vom Günter Grass - Haus, in dem der Künstler ein Atelier hat und zusätzlich eine Gottfried Keller-Ausstellung stattfand. Zum Erfrischen ging es am Abend noch schnell ins Schwimmbad am Krähenteich, bevor wir ins Ohana zum Abendessen gingen. Wir hätten ohne Langeweile noch ein wenig länger bleiben können in dem schönen Lübeck.
Holstentor


Marktplatz

Teufel

typischer Hinterhof in Lübeck


Buddenbrookhaus

Günther Grass als Grafiker

... und als Bildhauer

Lübeck ist von viel Wasser umgeben
 
Blick auf Holstentor und die Kirchen